50 Jahre Autismuskompetenz für Hannover und die Region
Im Jahr 1973 fanden sich engagierte Eltern aus Hannover und der Region im Verein Autismus Hannover e.V. zusammen, um eine bessere Förderung und Therapie für ihre autistischen Kinder zu organisieren. Bereits ein Jahr später, im Jahr 1974, wurde das Therapiezentrum für autistische Kinder gegründet, welches heute den Namen Autismus-Zentrum Hannover trägt.
Nötig geworden war die Gründung des Therapiezentrums vor allem dadurch, dass es im Jahr 1974 in Hannover und der Region (und in ganz Deutschland!) keine geeigneten Betreuungs- und Förderstrukturen für Kinder mit frühkindlichem Autismus gab. Auch das Wissen über Autismus war in Deutschland vor 50 Jahren noch sehr eingeschränkt, sodass Eltern und Angehörige Fachliteratur meist aus England oder den USA beziehen mussten.
Im Rahmen der Selbsthilfe machten sich die engagierten Eltern also auf den Weg und schufen eines der ersten spezialisierten Therapiezentren in Deutschland. Herzstück des Therapiezentrums waren von Beginn an die Schule, die sich seit 1977 im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Bemerode befindet sowie ein ambulantes Förderangebot (welches heute unter dem Namen Autismus-Ambulanz Hannover bekannt ist). Beide Angebote spezialisierten sich zunächst auf die Betreuung und Förderung von schwer betroffenen Kindern mit frühkindlichem Autismus. In den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde dann das sogenannte Asperger-Syndrom als weitere Form bzw. Ausprägung des Autismus in Deutschland bekannter. In den Folgejahren fanden daher auch mehr und mehr Kinder und Jugendliche mit dem Asperger-Syndrom, einer Form von Autismus, die in der Regel etwas "leichter" ist, da sie nicht mit kognitiven Behinderungen einhergeht, ihren Weg in das Therapiezentrum.
Da die Erziehung und Begleitung autistischer Kinder für Eltern und Angehörige oftmals eine enorme Herausforderung darstellt, wurden im Jahr 2000 zudem zwei Wohngruppen für jeweils sechs schwer betroffene Kinder und Jugendliche in Giesen bei Hildesheim gegründet. Auch das Internat, welches sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Schule im Bonhoeffer-Haus befand, zieht in die neuen Räumlichkeiten in Giesen um, sodass die Schule durch die frei gewordenen Räumlichkeiten um eine weitere Gruppe vergrößert werden kann.
Im Jahr 2012 erfolgt dann die Eröffnung des Heilpädagogischen Kindergartens. Untergebracht in einem Neubau auf dem Schulgelände in Bemerode bietet der Kindergarten seitdem Platz für zwei Gruppen mit je sechs Plätzen. Im Jahr 2014 erfolgt schließlich die Umbenennung vom Therapiezentrum in Autismus Zentrum Hannover (AZH). Im Jahr 2017 folgt dann die Gründung der unabhängige Autismus Beratungsstelle, in welcher Eltern, Angehörige und Betroffene eine niedrigschwellige und zeitnahe Beratung rund um das Autismus-Spektrum erhalten können.
In den letzten Jahren ist der Bedarf an Begleitung und Förderung für Menschen im Autismus-Spektrum und deren Familien auch in Hannover und der Region weiter gestiegen. Aus diesem Grund wurden in den Jahren 2019 bis 2022 weitere spezialisierte Angebote im AZH geschaffen. Dazu zählen die Autismusspefizische Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH), die Familien mit autistischen Kindern stärkt und direkt im familiären Umfeld unterstützt sowie das Elterncafé Curcuma, welches Eltern und Angehörigen einen Ort der Begegnung und des Austauschs bietet. Darüber hinaus das Angebot "InBildung" welches direkt an Schulen tätig wird und Lehrkräfte im Umgang mit autistischen Kindern berät. Nicht zuletzt entstand in den letzten Jahren auch der Fachbereich Fortbildung, welcher Fortbildung rund um das Thema Autismus für Angehörige und Fachkräfte anbietet. Seit dem Jahr 2023 ist das AZH Teil der Gemeinnützigen Gesellschaft für integrative Behindertenarbeit (GiB).
In den letzten 50 Jahren hat sich vieles getan. Heute ist vieles klarer als 1974, besonders was Ursache, Diagnostik, Verlauf und Förderbedarf betrifft. Auch sprechen wir heute in der Regel nicht mehr von frühkindlichem Autismus und Asperger-Syndrom sondern nutzen den Begriff des Autismus-Spektrums. Dieser verdeutlicht viel mehr, dass die Grenzen zwischen den "Formen" des Autismus eher fließend als starr sind. Außerdem trägt der Begriff des Autismus-Spektrums der Individualität jeder betroffenen Person viel besser Rechnung. Was sich in den letzten 50 Jahren nicht verändert hat, ist aber der Autismus selbst. Auch heute noch Treffen Betroffene mit ihren zum Teil besonderen Verhaltensweisen oft auf Unverständnis. Auch der Förderbedarf sowie die Verunsicherung und Belastung der Familien sind weiterhin hoch. Neben Kindern und Jugendlichen rücken heute außerdem auch erwachsene Betroffene zunehmend in den Fokus, da es gerade für diesen Personenkreis oft nur wenige autismusspezifische Angebote gibt.
Autismus ist nicht heilbar, das gilt heute als sicher. Als sicher gilt jedoch auch: Je früher die Förderung beginnt und je mehr auf die Besonderheiten der Betroffenen eingegangen wird, umso eher besteht die Chance, die mit dem Autismus einhergehenden Beeinträchtigungen zu mildern. Wir freuen uns sehr, dass wir mittlerweile seit einem halben Jahrhundert mit viel Engagement und Professionalität für Menschen im Autismus-Spektrum da sein können und hoffen natürlich auf weitere 50 tolle Jahre!
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